Lokales – Kirchen

Hier präsentieren wir eine Auswahl von Forschungsergebnissen, die Hans Felder in seiner Ruhestandszeit speziell für heimatgeschichtlich Interessierte erarbeitet hat.



Unterhausens 4. evangelischer Pfarrer:

Johann Jacob Rösch

Das schöne Epitaph in unserer Johanneskirche ist seinem Gedächtnis gewidmet. Den Namen Johann Jacob Rösch trägt nach einem Beschluss des Kirchengemeinderates von 1990 unser im Jahre 1972 eingeweihtes Gemeindehaus. Das ist Grund genug, zu fragen: Wer war dieser Mann, der am 25. Januar 1599 in Gomaringen geboren, am 27. Dezember 1667 in Unterhausen verstorben ist? Womit mag er sich damals den Dank der Gemeinden Unter- und Oberhausen erworben haben?

Da wir sonst so gut wie keine direkten Zeugnisse von ihm haben, müssen wir die uns bekannten Zeitumstände, in denen er mit seiner Familie gelebt hat, stark heranziehen, uns aus den Zusammenhängen ein Bild machen und mehr oder weniger begründete Schlüsse ziehen.

Zwei Herren dienen
Die beiden Herren, denen alle Pfarrer in Unterhausen von 1350 bis 1802 wohl oder übel dienen mussten, waren auf der einen Seite die Grafen bzw. die Herzöge von Württemberg in Stuttgart, denn Unterhausen gehörte bürgerlich gesehen ihnen. Der zuständige württembergische Vogt (Landrat), und der aufsichtführende Dekan, sie saßen damals in Urach. Das Patronat über die Johanneskirche in Unterhausen aber war in der Hand des Spitals der freien Reichsstadt Reutlingen. Die Reutlinger hatten das Recht, den Pfarrer zu präsentieren und die reichen Einkünfte der Pfarrei zu kassieren, freilich auch die Verpflichtung, ihn zu besolden und sein Haus zu unterhalten.

Es ist erstaunlich, dass trotz den Spannungen, die es zwischen Stuttgart und der Reichsstadt immer wieder gegeben hat, im Bezug auf die Pfarrer in Unterhausen so gut wie keine Schwierigkeiten aktenkundig geworden sind. Wir können das nicht anders verstehen, als dass man von der Reichsstadt her – um hier ja keine Schwierigkeiten aufkommen zu lassen – nur zuverlässige Reutlinger Bürgersöhne auf diese württembergische Pfarrei abgestellt hat.

Eine Durchschnitts-Amtszeit von 23 Jahren pro Pfarrer dürften nur wenige Orte in Württemberg aufweisen. Aus unserer Pfarrers-Tafel ergibt sich eine solche. Pfarrer Rösch hat mit seinen 43 Jahren einen erheblichen Anteil an diesem Durchschnitt gehabt. Dafür kann er nichts. Es ist Gnade. Aber offenbar hat er das auch wohl gewusst und gepredigt. Nicht umsonst steht der Jakobs-Kampf im Mittelpunkt des Epitaphs: "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn." Genesis 32,27.

Der bewusste Dienst dem einen obersten Herrn gegenüber macht’s leicht möglich, dass man auf Erden auch zwei Herren zu dienen vermag, zumal wenn diese beiden ein Interesse haben, dass die Sache des Evangeliums ihren Lauf nimmt. Und in dieser "Sache" waren sich Reutlingen und Stuttgart einig.

Abgabenwesen
Das ganze Kirchenwesen war damals obrigkeitlich geordnet und streng überwacht. Jeder wusste genau, was seine Rechte und was seine Pflichten waren und wo er hingehörte. Und weil nun die meisten Leute hier sehr arm waren, hart arbeiten mussten, um ihr tägliches Brot und dass sie die anstehenden Steuern, Zehnten und Abgaben termingerecht aufbringen mochten, können wir uns wohl vorstellen, dass das Verhältnis zwischen den Leuten und ihrem Pfarrer ein wesentlich anderes war, als das, was wir heute haben. Er gehörte zu den "Herren", er war ein Mann der herzoglichen und der reichsstädtischen Obrigkeit. Er hatte den Erwartungen der Verwaltung zu entsprechen. Das war seine Pflicht aber auch sein Recht. Darauf beruhte das Einkommen seiner Familie, darauf war er angewiesen. Er konnte den Leuten nichts nachlassen. Wohl gab es strengere und mildere Herren, aber Herr ist Herr, und Bauer ist Bauer. Und: Was jeder zu beanspruchen hat muss eingehen. Auch für die Herren war damals karge Zeit.

Kirchenzucht
Gefällt dir heutzutage der Pfarrer nicht, kannst du sagen: Ich trete aus, ich gehe zu den Methodisten. So etwas gab es damals nicht. Es gab auch keine Vereine, Kirchenchöre, Gemeinschaftsstunden. Die einzige Möglichkeit für die Jugend, zusammenzukommen, waren die Spinnstuben in den Häusern. Man musste das teure Licht sparen. Aber auch sie waren streng beaufsichtigt. Der Pfarrer erfuhr alles, was da gesprochen oder gesungen wurde, und er hatte Regelwidrigkeiten unverzüglich vor den nächsten Kirchenkonvent zu bringen, ein Gremium, entfernt vergleichbar dem Kirchengemeinderat. Dort hatte man Abhilfe zu schaffen mit Vorladungen, Befragungen, Geldbußen oder kleineren Freiheitsstrafen. Wenn das nicht fruchtete, hatte man nach Urach zu berichten. Um nachbarliche und offenkundig gewordene eheliche Streitigkeiten hatte sich der Pfarrer mit seinem Kirchenkonvent zu kümmern. So wurde auch streng auf regelmäßigen Kirchenbesuch gehalten.

In diesen Dingen hatte auch Pfarrer Rösch zu handeln. Es ist nicht anders denkbar, als dass er sich hier hilfreich und klug verhalten hat und dass auch die Armen bei ihm Gehör fanden.

Decanus des Spitals in Reutlingen
Aus dem Epitaph geht hervor, dass er diesen Titel geführt hat. Vermutlich hat er – mit Einwilligung der württembergischen Kirchenoberen – gegen Ende seiner Laufbahn als hoch angesehener Senior eine ehrenamtliche Leitungsfunktion bei den Sitzungen der Spital-Verwaltung und unter den wenigen zur Reichsstadt gehörigen evangelischen Geistlichen ausgeübt: Die Orte Betzingen, Wannweil, Bronnweiler, Ohmenhausen, Immenhausen mit Stockach haben damals noch zur Reichsstadt gehört und mochten je einen Pfarrer gehabt haben. Dazu kamen für die Stadt vielleicht noch zwei Geistliche und ein Vikar. Das Reutlinger Gebiet war nicht groß. Gomaringen musste man aus Geldnot 1648 an Württemberg verkaufen.

Aus alledem sehen wir, dass es bei der Zusammenarbeit in kirchlichen Dingen zwischen Stuttgart und Reutlingen kaum Probleme gab. Die Theologiestudenten aus Reutlingen haben sicher in Tübingen studieren können. Die Studienzeit muss wesentlich kürzer gewesen sein als heute. Rösch stand schon mit 19 Jahren als "Magister" im Kirchendienst in Reutlingen, muss also mit 16 oder gar schon mit 15 Jahren mit dem Studium in Tübingen begonnen haben.

Der 30-jährige Krieg
In den ersten 13 Jahren dieses Krieges nahm das Leben für das Gebiet um Reutlingen seinen fast normalen Fortgang. Gelegentlich zogen Truppenteile durch. Aber die Kämpfe waren in Böhmen, Norddeutschland und anderswo. Die Beendigung seines Studiums, seine erste pfarrdienstliche Tätigkeit in Reutlingen, seine Heirat 1620 und sein Dienstantritt in Unterhausen 1624, das alles fand unter ganz normalen Verhältnissen statt.

Sogar der erste größere Truppendurchmarsch, der sogenannte "Kirschenkrieg" 1632 verlief relativ glimpflich. Der kaiserliche General von Fürstenberg gab sich mit einer Geldzahlung seitens der Reichsstadt zufrieden und verzichtete auf Plünderung und Zerstörung der Stadt und der Ortschaften. Auch die evangelische Religionsausübung wurde nicht angetastet. Die Pfarrer konnten ihren Dienst wie bisher weiterversehen, die Bauern ihrer harten Arbeit nachgehen und ihre Abgaben entrichten.

Die bösen, die mörderischen Zeiten brachen 1634 über unser Gebiet herein. Damals wurden die evangelischen Heere in der Schlacht von Nördlingen besiegt, das Land und die nunmehr schutzlose Bevölkerung wurde der unbarmherzigen Plünderung durch die siegreichen kaiserlichen Heerhaufen preisgegeben. Sie wussten mit Folterungen auch die letzten vielleicht noch vergrabenen Besitztümer der Bauern herauszupressen und nahmen es leicht, die Häuser in Brand zu stecken. Was mich da immer wieder mit Staunen erfüllt, ist, dass unsere Kirche hier in Unterhausen die ganze Zeit über unbeschädigt geblieben ist, wo doch die Kirche in Honau beschädigt worden war.

Die vier Holzsäulen im Kirchenschiff stammen von 1585 und sind unbeschädigt wie auch die noch viel älteren Hölzer im Turm. Dass aber die Friedhofsmauer irgend eine Rolle gespielt hätte, etwa als Zuflucht, die man gemeinsam hätte verteidigen können, halte ich für unwahrscheinlich, wird auch nirgendwo berichtet. Wer sich bei Gefahr in Sicherheit bringen wollte, musste die Wälder und die Höhlen aufsuchen oder die starken Mauern der Reichsstadt.

So hat Pfarrer Rösch nach dem großen Sterben 1636, dem auch drei seiner Kinder zum Opfer gefallen sind, seine Frau und die ihm noch verbliebenen Kinder für einige Zeit nach Reutlingen gebracht. Er selbst dürfte die meiste Zeit über am Ort verblieben sein, mehrmals, wie es heißt, unter direkter Gefahr erschossen zu werden. Die Zahl seiner noch verbliebenen Gemeindeglieder ist für einige Jahre auf zweistellige Werte zurückgegangen. Einige Jahre hatte er auch die Leute in Honau mit zu betreuen.

Wir dürfen uns übrigens auch die zwölf letzten Kriegsjahre nicht durchgehend kriegerisch im engeren Sinne vorstellen. Es hat offensichtlich kaiserliche Besatzungen und Dauereinquartierungen gegeben mit entsprechenden Schikanen. Auch gelegentlich marodierend durchziehende Haufen katholischer wie evangelischer Truppenteile. So haben sogar württembergische Reiter des bekannten Verteidigers des Hohentwiel, Konrad Widerhold, Ausfälle bis nach Pfullingen gemacht, um die österreichischen Besatzer zu beunruhigen und – vor allem – die Vorräte und Geldmittel auf der Burg zu ergänzen.

Im übrigen aber ging das Leben weiter. Die Häuser wurden wieder aufgebaut, Ehen wurden geschlossen, Kinder geboren – auch im Pfarrhaus – und getauft, Felder bestellt, Kühe gefüttert und gemolken und – die fälligen Abgaben termingerecht abgeliefert und registriert.

Seine Familie
Johann Jacob Rösch ist 1619–1624 Pfarrer in Reutlingen gewesen und hat 1620 – also mit 21 Jahren – die um drei Jahre ältere Elisabeth Wucherer geheiratet, eine Reutlinger Bürgertochter. Als die jungen Eheleute 1624 nach Unterhausen kamen, brachten sie aus Reutlingen bereits zwei Kinder mit: Anna Maria und Barbara. In ihrem Haushalt lebte auch seine Mutter, die verwitwete Pfarrfrau aus Gomaringen. Sie ist 1630 in Unterhausen verstorben. In den ruhigeren Kriegsjahren bis 1635 sind ihnen dort fünf Kinder geschenkt worden: Johann Jacob, Sabine, Sebastian, Margarete und Elisabeth. Beim großen Sterben 1635 sind ihnen innerhalb von fünf Wochen drei Kinder dahingerafft worden: Am 24. September, am 10. und am 26. Oktober. Es waren die zweijährige Elisabeth, die achtjährige Sabine und die elfjährige Barbara.

Offenbar hat er unmittelbar danach seine Frau mit den vier noch lebenden Kindern, der ältesten Tochter und den drei Söhnen – jedenfalls den Winter über – nach Reutlingen in die schützenden Mauern der Reichsstadt bringen können, vermutlich zu ihren Eltern. Es kamen aber dann noch zwei bzw. drei Kinder zur Welt: ein Mädchen im August 1636, wieder mit dem Namen Elisabeth – für das jüngst verstorbene –, ein tot geborenes Knäblein ohne Namen und Samuel 1639 (wieder in der Stadt geboren). Die Mutter war damals 44 Jahre alt. Sie hat dann auch noch die Friedenszeit erlebt, die Heirat der beiden Töchter Anna Maria (1644) und Margareta (1652) und des Sohnes Johann Jakob (1655). Gestorben ist die erste Frau von Pfarrer Rösch in Unterhausen mit 63 Jahren am 12. März 1658. Er hat dann noch eine schon zweimal verwittwete Frau geheiratet, die aber dann auch noch vor ihm verstorben ist. Er selbst ist nach 43-jährigem treuen Dienst in der Gemeinde Unter- und Oberhausen im Alter von (fast) 69 Jahren im Dezember 1667 verstorben.

Epitaph
Diese Dinge erfahren wir mit aller wünschenswerten Genauiggkeit durch das Familienbild auf dem Epitaph und aus den Eintragungen in den Tauf-, Ehe- und Sterberegistern. Alle Familienglieder, die vor ihm verstorben sind, sieht man gezeichnet mit Kreuz zu ihren Füßen und in ihrem "Rang" kenntlich gemacht durch eine damals offenbar strenge Kleiderordnung. Die beiden Pfarrfrauen trugen gleich ihm die breit gefältelte Halskrause, die beiden verheirateten Töchter den Hut mit dem ums Kinn gespannten Schleier, der verheiratete Sohn einen Bart und breiten Kragenüberschlag aber keine Halskrause, weil er kein Pfarrer war, die nicht verheirateten Kinder einfache Kragenüberschläge. Sie alle knien in einem Kirchenraum mit zusammengelegten Händen vor dem gekreuzigten Heiland auf der linken Seite, dem Alter nach, der Vater und seine Söhne, darunter, deutlich zu sehen, die beiden namenlos tot geborenen Knäblein, auf der rechten Seite – im Alter von rechts außen angeordnet – die beiden Pfarrfrauen und die Töchter. Nächst dem Kreuz, also die jüngste, Elisabeth, die vermutlich zum Schluss dem zweimal verwitweten Vater den Haushalt geführt hat.

Dieses Bild ist ein feines Zeugnis für das, was dieser schlichte und treue Mann gepredigt und mit seiner Familie vorgelebt hat mitten in einer Zeit äußerster Armut, der Not und der Trauer an den Gräbern, an denen er zu stehen und die Menschen zu trösten hatte mit dem teuren Evangelium. Das Bild atmet Glaubenszuversicht und Auferstehungshoffnung: Das Wort vom Kreuz, es ist uns, die wir selig werden, eine Gotteskraft im Leben und im Sterben: "Jesus ist für uns geboren und sein Tod ist uns Gewinn, er hat uns das Heil erworben, drum fahr ich mit Freuden hin, hin aus diesem Weltgetümmel in des großen Gottes Himmel, da ich werde alle Zeit schauen Gottes Herrlichkeit".

Auch das Hauptbild des Epitaphs zeugt indirekt für die biblisch lutherische Verkündigung des Pfarrers. Der Künstler, bzw. seine Auftraggeber haben offenbar im Hinblick auf seinen Doppelnamen Abstand genommen von dem Gedanken an das Brüderpaar "Johannes und Jakobus, die Söhne des Zebedäus, genannt Donnerskinder", deren einer ja, "Jakobus mit dem Schwert", hingerichtet wurde, als der erste Märtyrer unter den zwölf Aposteln. Sie haben sich vielmehr entschieden für den Erzvater Jakob als den Namenspatron ihres verstorbenen Pfarrers mit dem bekannten Spruch (Gen. 32,27): "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn." "Halt’ fest an Gott, lass diesen Glauben dir nimmer aus dem Herzen rauben. Gott ist getreu." Vielleicht ist ihnen aus mancherlei Predigten dieses Wort und die dazugehörige Geschichte vom Jakobs-Kampf besonders lebendig in Erinnerung geblieben. Offenbar wollte Rösch selbst vorrangig mit dem Namen Jakob genannt werden und hat in dieser Hinsicht den Namen Johannes hintangestellt. Dies insofern mit gewisser Berechtigung, als man früher sehr wohl gewusst hat, dass man den Täufer dieses Namens unterscheiden muss vom Apostel Johannes. Unsere Kirche trägt ihren Namen nach dem Täufer, er aber seinen Doppelnamen wohl nach den beiden Aposteln. Doch stand für ihn der gesegnete Erzvater und sein festhalten an Gott im Vordergrund. Dem entspricht auch sein Aussehen auf dem goldumrahmten Porträt. Der Künstler hatte ihn nicht als Asketen und todes-bereiten Märtyrer in Erinnerung, wiewohl er sicher auch zum Opfertod für seinen Heiland bereit gewesen wäre, sondern mehr als den gütigen, lebensvollen, gesegneten Erzvater mit weit ausladendem väterlichen Bart über der damals üblichen Halskrause und sicher auch einem Trunk Wein in Ehren nicht abgeneigt.

Die "Friedensjahre"
Die Bevölkerungszahl, die durch Mord, Flucht, vor allem aber durch Seuchen um 1636 auf ein Minimum abgesunken war, hat sich offenbar und wahrscheinlich schon in den letzten zwölf "Kriegsjahren" erstaunlich schnell wieder erhöht. Die abgebrannten Häuser wurden wieder aufgerichtet, Kinder wuchsen heran; und auch der Wohlstand hat sich in bescheidenen Grenzen wieder gebessert. Jedenfalls konnte unter dem nun schon älter gewordenen aber immer noch rüstigen Pfarrer Rösch 1662 die Kirche gründlich erneuert werden. Offenbar wurden damals die bis dahin mittelalterlich kleinen Fenster im Sinne des damals herrschenden Barock stark ausgeweitet. Licht sollte herein in den Raum. Die Leute hatten Lesen gelernt, vielleicht schon persönliche Gesangbücher in der Hand und sollten mitsingen. Ob es damals schon zu einer Orgel gereicht hat, bezweifle ich. Sehr wahrscheinlich aber ist es damals – und nicht schon 1585 – gewesen, dass die Empore eigebaut wurde – jedenfalls im Westteil des Schiffes mit einem eigenen Treppenaufgang von außen, von Süden her.

Offenbar ist unten der Raum für die stark angewachsene Gemeinde zu klein geworden. Und in den sonntäglichen Gottesdienst musste von Obrigkeitswegen jeder, der nicht eine triftige Entschuldigung hatte. Auch die Oberhausener durften nicht fehlen. Nur an wenigen Festtagen im Jahr hielt der Pfarrer in der droben durchaus vorhandenen Kirche einen Gottesdienst.

Wenn sich die Oberhausener an den Baukosten beteiligt haben, dann sicher nur sehr widerwillig und aus Rechtsgründen. Wenn aber einer in der Lage war, ihnen diese saure Pflicht etwas süßer zu machen, so war es eben dieser hoch angesehene, rechtschaffene Pfarrer. Es ist nämlich sehr zu beachten und bei den Jahrhunderte alten Spannungen durchaus nicht selbstverständlich, dass auf dem Epitaph ausdrücklich auch Oberhausen dankend firmiert. Sodass ich nicht für ausgeschlossen halte, dass das ganze Kunstwerk sogar in Oberhausen angefertigt worden sein könnte. Hier möchte ich noch eine zweite Vermutung aussprechen dazu, welche Gründe diese Gemeinde gehabt haben könnte, sich so ausdrücklich und aufwendig für das Wirken dieses inzwischen verstorbenen Pfarrers zu bedanken. Man muss nämlich wissen, dass gerade in diesem letzten Jahrzehnt seines Lebens der entsetzliche Hexenwahn durch das ganze Land gegangen war und dass damals in Reutlingen der Bürgermeister Laubenberger ein Terror-Regiment geführt hat, ein habgieriger, rücksichtsloser und grausamer Mensch. Elf Frauen sind dort nach hochnotpeinlichen Verhören verbrannt worden und Laubenberger muss diese Verbrennungen durch Extra-Schikanen sogar noch verschärft haben. Da halte ich es für wahrscheinlich, dass Rösch es auf kluge, unauffällige Weise zu verhindern wusste, auch die nötige Freiheit hatte – er unterstand zwar der Besoldung aus Reutlingen, aber der Dienstaufsicht von Stuttgart und Urach – diese widerwärtigen Nachforschungen von seinen Pfarrkindern fernzuhalten. Wohlgemerkt, das alles sind meine Vermutungen, für die ich weder positive aber eben auch keine negativen Belege vorweisen kann. Dass es hier auch Tendenzen solchen Aberglaubens in der Bevölkerung gab, und zwar bis in unser Jahrhundert hinein, ist den Älteren hier wohl bewusst.

"Im Jahr 1667 dz. 27, Herbstmonat ist M. Johann Jacob Rösch
43Jähriger getrew eyfferiger Pfarrer alhie zu Under und Oberhausen
und des Reutlingischen spitals wolwürdiger Decanus in dem 69. Jahr
seines Alters mit Höchstem betaurn disr seinr Kirchen Gemeind
in seinem Erlöser und Seligmacher Christo sanft und sselig
verschiden, u, den 30. gemeldten Monats ehrlich und
ansehnlich zur Erden bestattet worden, dessen
leichnam der liebe Gott am Jüngsten Tag
eine sselige und fröhliche Auferstehung zum
ewigen leben Verleyhen Wolle. Amen."

 

Johanneskirche Unterhausen

Der älteste Bauteil der Johanneskirche, der östliche Teil der heutigen Sakristei, dürfte auf die Zeit um 940 zurückgehen. Es war eine kleine, Johannes dem Täufer geweihte Kapelle aus Stein, an die vermutlich ein kleines Kirchenschiff aus Holz angebaut war. Bis 1250 dürfte sie für gottesdienstliche Belange gedient haben.

Etwa um 1170 wurde an dieser Kapelle ein Wehrturm, der untere Teil des heutigen Kirchturms, errichtet. Dieser Turm diente rein weltlichen, militärischen Zwecken.

Wie andere Staufische Wehrtürme hatte auch dieser Turm zuerst nur einen hochgelegten Zugang in ca. 6,5 m Höhe. Man konnte ihn durch eine hölzerne Außentreppe oder Leiter erreichen. Dieser Zugang wurde nach außen hin mit einem Rundbogen versehen, innen mit Eichenbohlen abgedeckt. Noch heute gelangt man durch ihn vom Kirchenboden aus in die oberen Teile des Turms. Dieser Wehrturm hatte die Funktion, den Verteidigern des ummauerten kleinen Friedhofes als letzte Zuflucht zu dienen. Im Falle einer Erstürmung der Friedhofmauer konnten sie die Treppe hinter sich abbrechen und auf Entsatz warten. Doch schon bald war die militärische Notwendigkeit eines solchen Turmes nicht mehr nötig, und er wurde zur Sakralisierung freigegeben.

Um 1250 dürfte das hölzerne Kirchenschiff abgebrochen worden sein und nördlich davon das erste steinerne Kirchenschiff an den jetzt geweihten Turm angebaut worden sein. Das ehemals finstere Turmverlies wurde jetzt aufgehellt und als Chor eingerichtet. In die Westwand wurde ein Triumphbogen gebrochen. In die Ost- und Südwand wurden kleine Fenster eingebrochen.

Wenige Jahre nach Fertigstellung dieses Kirchbaus wurde das sakrale Grundstück noch einmal in militärische Erwägungen seiner Besitzer, der Grafen von Veringen, einbezogen. Sie waren damals Verbündete des Grafen von Württemberg gegen den anrückenden Kaiser Rudolf von Habsburg. Sie ließen den kleinen Friedhof nach Westen hin stark ausweiten und mit einer Wehrmauer umgeben. Jedoch nahm der Habsburger bei seinem Einmarsch einen anderen Weg. So blieb die Wehrmauer ungestürmt. So hat sich uns das Zeugnis eines mittelalterlichen Wehrbaus erhalten. 1988 wurde die Mauer renoviert und bildet zusammen mit Pfarrhaus und Kirche eines der idyllischsten Plätze in Unterhausen.

Die Grafen von Veringen mussten 1331 das ganze Kirchenanwesen nebst Pfarrgut verkaufen. Es ging an den Reutlinger Priester Spechtshart, 1360 an die Reutlinger Sondersiechenpflege und verblieb dort bis 1803.

Um 1430 wurden die Fresken im Chor gemalt. Sie fielen der großen Renovierung 1585 zum Opfer. Erst 1946/47 wurden sie neu entdeckt und freigelegt. Sie bestehen aus drei Reihen zu je 11 Bildern.

In den zwei oberen Reihen wird das Leben und Sterben des Kirchenpatrons, Johannes des Täufers, dargestellt, die dritte, untere Reihe erzählt das Leiden, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus.

1585 wurde das Kirchenschiff bis auf die Südwand gänzlich abgebrochen und deutlich vergrößert und um eine Empore erweitert wieder aufgebaut. Seither führen drei Türen in das Kirchenschiff: zwei von der Giebelseite im Westen her und eine in der Ostwand. Aus dieser Zeit stammen auch die vier Holz-Säulen, die die Decke abstützen und der Empore Halt geben.

Der Turm wurde um 5 Meter erhöht. Die so gewonnenen Glockenstube wurde mit vier spitzbogigen Schallöffnungen versehen. Die Sakristei wurde gegen Westen hin verlängert und erhielt dort eine neue Außentüre und einen Ausguss für das Taufwasser. Von der Sakristei aus wurde ein direkter Zugang zur Kanzel geschaffen.

Ebenfalls 1585 wurde der Chor aufgehellt und völlig neu gestaltet. Dabei wurden auf die Fresken von 1430 keinerlei Rücksichten genommen. In die Nordseite wurde ein gotisches Fenster eingebrochen, das Südfenster wurde ausgeweitet, der Triumphbogen erhöht. Die Restflächen wurden übertüncht und nach damaligem Geschmack neu bemalt. 1661 erhielten die Fenster im Schiff ihre heutige Form, 1811 wurde der zuvor noch recht gedrungen wirkende Kirchturm zu der heutigen Größe erhöht (Spitze 36 Meter).

Der Text ist eine gekürzte Fassung von Hans Felder, Die Unterhausener Johanneskirche und ihre Fresken